Allergie auf Kompressionsstrümpfe: Ein Mythos?

Von | 13. Juli 2014
Allergie
Allergische Reaktion

Kompressionsstrümpfe gehören zur Standard Therapie bei Venenleiden und Lymphödemen. Die Compliance der Patienten ist trotz der erwiesenen Wirksamkeit der Strümpfe relativ gering. Eine neue Untersuchung von E.M.Valesky et.al.(1) hat gezeigt, dass Symptome wie Juckreiz und Rötungen ein Grund für die schlechte Akzeptanz der Kompressionsstrümpfe ist. Patienten und auch der behandelnde Arzt stufen die Hautveränderungen als allergische Reaktion ein.

Eine Kontaktallergie hat immer mehrere Stadien. In einer ersten Phase findet die Sensibilisierung statt. Durch die Verbindung von körpereigenen Stoffen (Peptiden) und körperfremden, niedermolekularen Verbindungen kann das Allergen in den Körper eindringen und wird vom Immunsystem erkannt. Die Sensibilisierungsphase kann bis zu 15 Tage andauern, verläuft symptomlos und wird vom Patienten nicht bemerkt. Bei erneutem Kontakt kommt es bei einem Teil der Patienten zur Effektorphase. Die während der Sensibilisierung gebildeten Antikörper wandern in die Haut und lösen eine Entzündungsreaktion hervor.

Epikutantest
Epikutantest

Die Sensibilisierung auf einen Stoff kann mit einem Epikutantest nachgewiesen werden. Trotz Sensibilisierung treten bei Kontakt mit dem Material nicht zwingend die Symptome einer Allergie auf. Im akuten Stadium sind das Symptome wie Rötung, Nässen, Bläschen- und Krustenbildung. Wird die Allergie chronisch kommen Symptome wie Papeln, Schuppung und Vergröberung der Hautfalten hinzu.

Was bedeutet das für Venenpatienten?

Personen mit einer chronisch venösen Insuffizienz oder einem Ulcus cruris venosum (offenes Bein) haben eine deutlich höhere Sensibilisierungsrate als Personen ohne diese Leiden. Das liegt einerseits an der vermehrten Anwendung von Cremes, die zur Behandlung von Stauungen und Ekzemen verwendet wurden, aber auch an der gestörten Barrierefunktion der Haut. Das Eindringen von Allergenen wird nicht mehr zuverlässig verhindert. Weiter besteht die Vermutung, dass der veränderte Lymphabfluss einen verlängerten Kontakt mit dem Allergen ermöglicht und so die Entstehung von Allergien begünstigt. Das Risiko für die Entstehung einer Allergie wird erhöht, wenn die allergene Potenz des Stoffs hoch ist. Häufiger und langer Kontakt mit dem Material, hohe Konzentration des Allergens und Fläche sowie Permeabilität der exponierten Haut haben einen grossen Einfluss auf die Entstehung einer Allergie.

Löst das Material von Kompressionsstrümpfen Allergien aus?

Garnherstellung für medizinische Kompressionsstrümpfe
Die Garne für Kompressionsstrümpfe werden in der Schweiz oder EU hergestellt, so wird höchste Qualität sichergestellt. Bild: Garnproduktion Swisslastic in Wald (ZH).

Ob Kompressionsstrümpfe Allergien verursachen wurde bis jetzt nicht untersucht. Das allergiepotential der in Kompressionsstrümpfen verwendeten Materialien ist aber ausreichend untersucht. Ein moderner Kompressionsstrumpf besteht aus Elasthan, das mit einem Faden aus Polyamid, Nylon oder Baumwolle umwunden wird. Die Haut kommt nur mit dem Umwindfaden in Kontakt.

  1. Allergien auf Elasthan und Polyamid sind extrem selten.
  2. Allergische Reaktionen auf Nylon wurden nur in wenigen Einzelfallberichten dokumentiert.
  3. Unbehandelte Baumwolle ist nicht bekannt Allergien auszulösen.
  4. Einzig Naturgummilatex, welches nur noch selten in Kompressionsstrümpfen verwendet wird, hat ein hohes Allergiepotential.

Synthetische Fasern sind also relativ selten Auslöser von Allergien. Viel häufiger sind es die verwendeten Dispersionsfarbmittel die allergische Reaktionen auf Textilien auslösen. Besonders Farben der Azo- und Antrachinin-Typen sind häufig Auslöser für allergische Textilekzeme. Die Azofarbmittel DP blau 124 und DP blau 106, welche für das Färben von dunklen Farbtönen wie Blau und Schwarz in grossen Mengen verwendet werden, sind besonders häufig Allergieauslöser. Da diese Farbstoffe in der EU verboten sind, gelangen sie kaum noch zu Verbrauchern hierzulande.

Bei Schenkelstrümpfen stellt das Haftband ein weiteres Problem dar. Die verwendeten Materialien Polyamid, Elasthan, Silikon und Polyester lösen selten Kontaktallergien aus.

Häufiger sind Hautreizungen die mit Allergien verwechselt werden.

Ergebnis

Allergien auf Kompressionsstrümpfe sind sehr selten. Ein Epikutantest kann Klarheit darüber schaffen, ob tatsächlich eine Sensibilisierung stattgefunden hat. Häufiger sind Hautreizungen durch raues Gewebe das auf der Haut scheuert oder schlechte Feuchtigkeitsaufnahme des Materials. Um die Nebenwirkungen der Strümpfe zu minimieren müssen Patienten über die Hautpflege während der Kompressionstherapie aufgeklärt werden. Von der Selbstmedikation wird abgeraten, da Salben mit Pflanzenbestandteilen toxisch-irritative Reaktionen hervorrufen können, welche wiederum eine Sensibilisierung auf die Inhaltstoffe begünstigen. Eine Basiscreme (DAC) mit Zusatz von 2-5% Harnstoff oder Dexapanthenol und ohne Zusatz von Konservierungsstoffen und Stabilisatoren sind besser geeignet. Bei den Haftbändern verursachen Druck und Reibung Reizungen der Haut. Haftbänder mit möglichst geringer Silikon-Haut-Kontaktfläche, wie z.B. Noppenhaftbänder, sind hier eine gute Lösung. Lassen sich die Irritationen dadurch nicht vermeiden muss eine alternative Befestigungsmöglichkeit gesucht werden. Strumpfhosen und Strümpfe mit Hüftbefestigung sind eine Alternative.

Unser Fazit

Das in modernen Kompressionsstrümpfen verwendete Material verursacht fast nie allergische Reaktionen. Das deckt sich auch mit unserer Erfahrung aus 20 Jahren Geschäftstätigkeit. Da die in der Schweiz verkauften Kompressionsstrümpfe hauptsächlich in der Schweiz (Sigvaris, Venosan) und der EU (Bauerfeind, Cizeta, medi, CEP, Compressana) produziert werden ist die Verwendung von allergenen Azofarbstoffen ausgeschlossen. Hautreizungen sind aber nicht wegzureden und zeigen sich auch gelegentlich bei unseren Kunden. Folgende Empfehlungen können Abhilfe schaffen:

Haftband mit Mikronoppen von Juzo
Mikronoppen von Juzo
Topband Platinum von medi
Topband Platinum von medi
SensiNova Haftrand von Sigvaris
SensiNova von Sigvaris
  • Einen Strumpf mit feinmaschigem Gestrick wählen
    Ein feines Gestrick belastet gefährdete Haut weniger und scheuert kaum. Der Varisan Top micro ist hier eine gute Wahl. Der Strumpf ist in der Farbe beige mit offener Fussspitze erhältlich. Wer eine etwas grössere Auswahl an Farben und Varianten bevorzugt, wählt den Venosan 4002 oder den Sigvaris Comfort.
  • Strümpfe mit guter Feuchtigkeitsregulation wählen
    Wird die Haut durch zurückgehaltene Feuchtigkeit aufgeweicht, so ist sie besonders empfindlich. Der Venosan 4002 ist als erster Kompressionsstrumpfe mit dem Tactel-climate-effect-Label ausgezeichnet worden und leitet Feuchtigkeit innert Sekunden von der Haut weg. Auch andere Mikrofaserstrümpfe wie die Sigvaris Magic, Varisan Top Micro, VenoTrain micro und Mediven Elegance zeichnen sich durch gute Feuchtigkeitsregulation aus.
  • In „Härtefällen“ helfen Kompressionsstrümpfe mit Spezialfasern
    Empfindliche Haut wird schneller von Bakterien angegriffen, ein verändertes Hautmillieu kann die Sensibilisierung begünstigen. Die Venosan 5002 mit Silber und die Venosan 7002 mit Silber und SeaCell hemmen das Bakterienwachstum auf der Haut und sind sogar bei Neurodermitis und Schuppenflechte geeignet.
  • Passendes Haftband wählen
    Die meisten Kompressionsstrümpfe sind mit Noppenhaftband oder speziellem sensitiv Haftrand erhältlich.
  • Strümpfe mit Hüftbefestigung wählen
    Wer bei Hautreizungen durch das Haftband nicht auf Strumpfhosen umsteigen möchte kann Kompressionsstrümpfe der Variante AGG wählen.
  • Haut beruhigen
    Oft werden Salben und Cremes in grossen Mengen appliziert, und dies mehrmals täglich. Beginnt die Haut zu Jucken, wird irrtümlicherweise nochmals nachgecremt! Unsere Haut ist von Natur aus gut und schützt sich selbst. Die meisten Cremes enthalten Konservierungs-, Farb- oder Trägerstoffe, sowie Parfums, die ein wesentlich grösseres Allergiepotenzial aufweisen als Textilfasern.

Kompressionsstrümpfe für Damen und Herren online kaufen

Passende Artikel

Studiennachweis

(1)E.M.Valesky et. al. Kontaktallergie auf Kompressionsstrümpfe: Gibt es das?, Phlebologie 2014; 43; 140-143